Ausgabe 02 / 2024

Ein CO2-Sünder wird klimaneutral

Daniel Last

Beton ist für die meisten Menschen wahrscheinlich etwas völlig Normales, wenn man an Hoch- oder Tiefbauten denkt. Doch der scheinbar harmlose Baustoff hat es in sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn insbesondere Zement ist ein unterschätzter Klimaschädling. Die OST – Ostschweizer Fachhochschule unter Leitung von Prof. Simone Stürwald hat entscheidend mitgeholfen, die CO2-Bilanz von Beton ausgleichen zu können.

Acht bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf das Konto von Beton. Allein in der Schweiz werden pro Jahr 39,8 Millionen Tonnen Beton verbaut. Aber Beton als CO2-Sünder? Was zunächst bei vielen für ein ungläubiges Stirnrunzeln sorgen dürfte, ist für Prof. Simone Stürwald vom IBU Institut für Bau und Umwelt an der OST einfach zu erklären: «Beton besteht aus Zement, Wasser und Gestein. Das Problem, wenn man es so nennen möchte, ist der Zement. Bei dessen Herstellung wird das versteinerte CO2, das im Kalkstein gebunden ist, freigesetzt.» 

Die chemische Erklärung ist auch noch für den Laien nachzuvollziehen: CaCO3 wird zu CaO und CO2. So weit so gut. Da der Prozess nur bei Temperaturen von knapp 1500 °C passiert, kommen die Emissionen der Brennstoffe noch hinzu. 

Doch wie kann man nun den Beton klimaneutral machen, wie es ursprünglich die Firma Logbau mit ihrem Produkt KLARK vorhatte und nun auch in die Tat umsetzen konnte? Die Erklärung ist so simpel wie verblüffend. «Die Grundidee war es, dem Beton die Pflanzenkohle beizumischen und künftig auch den Zementgehalt zu reduzieren. Holz lagert auf natürliche Weise eine beträchtliche Menge an CO2 ein, welches durch ein Pyrolyseverfahren dauerhaft in der Pflanzenkohle als Kohlenstoff gebunden wird. Somit kann die CO2-Emission bei der Zementherstellung kompensiert werden», so Stürwald. 

Die Einsparung ist enorm, reden wir doch letztlich von einer vollständigen Kompensation. KLARK ist damit der erste klimaneutrale Beton ohne Kompensation durch Zertifikate. Pro Kubikmeter Klimabeton werden rund 200 Kilogramm CO2 durch Pflanzenkohle permanent eingelagert. Zur Verdeutlichung, welches enorme Potenzial hier schlummert: Der Bau eines Einfamilienhauses benötigt durchschnittlich 120 Kubikmeter Beton, was allein 24 Tonnen CO2 bedeutet. 

Seit diesem Jahr bis 2026 läuft das Projekt KLARK, der «Uridee» hinter dem klimaneutralen Beton, wenn man es so bezeichnen möchte, mit Förderung von Innosuisse und umgesetzt von der Firma Logbau in Zusammenarbeit mit der OST und der Empa.

Grafik Betonschaufel in Form eines grünen Blattes
Anstehende Normänderung bietet Chancen

Die Ansätze für nachhaltigen Beton von Simone Stürwald und ihrem Team sind vielfältig und durch anstehende Normenänderungen in 2025 bieten ein grosses Potenzial für die breite Umsetzung. 

Bisher kann KLARK im Hochbau eingesetzt werden – und wird es vereinzelt auch schon. Mit der Einfügung der SIA 215/2 2025 kann Pflanzenkohle als Zusatzstoff für Beton zertifiziert werden und KLARK kann als normkonformer Beton weitere Verbreitung im Markt finden. 

Eine weitere Chance ist eine Änderung der Betonnorm SN EN 206, deren neuer Anhang ND ab 2025 voraussichtlich keine bisher üblichen Mindestzementgehalte mehr vorschreibt, was die Arbeit für Stürwald und ihr Team noch interessanter und attraktiver gestalten dürfte. Damit sind künftig alle Betonmischungen viel variabler. Doch eines streicht Stürwald unmittelbar heraus: «Die technischen Eigenschaften, das heisst die Performance, müssen natürlich gewährleistet sein und dies wird auch von unabhängigen Laboren geprüft. Der Wegfall von Mindestmengen bedeutet natürlich nicht, einfach drauflosmischen zu können. Aber Projektarbeiten zeigten schon vor einigen Jahren, dass im Labor im Extremfall bis zu 40Prozent des Zements eingespart werden können. Das bisher nicht nutzbare Potenzial ist also riesig.

Potenziale in der Praxis mit KI

Stürwald hat bereits 2021 erkannt, dass auf Basis von Daten der Zementgehalt von Betonrezepturen in der Praxis, das heisst in den Betonwerken, reduziert werden kann. «Vereinfacht gesagt, werden vorhandene Daten der Industrie analysiert, daraus entstehen Betonmodelle, die dann nach und nach optimiert werden und am Ende der Kette haben wir dann bessere Rezepturen», bringt es Stürwald auf den Punkt. Als Projektleiterin des Innosuisse-Projektes OptimiX hat sie als Partnerin neben dem IBU Institut für Bau und Umwelt das ICE Institut für Computational Engineering und Dorner ASP an einen Tisch gebracht. Dorner ASP ist seit Jahren als Software-Serviceprovider für Rezeptdatenbanken und Produktionssteuerung ein etablierter Partner der Betonindustrie und verfügt über ein immenses Datenvolumen. Das IBU steuert das Knowhow im Bereich Beton bei, während das ICE das Knowhow im Bereich der KI in das Projekt einbringt. Im Projekt wird ein Optimierungstool für nachhaltige Rezepturen entwickelt, die hoffentlich nach der Normänderung in breiter Masse zum Einsatz kommen. 

OptimiX soll die Nachhaltigkeit von Beton um rund 20 Prozent verbessern und gleichzeitig die Kosten für die benötigten Ausgangsstoffe senken können. Das Optimierungstool wird schrittweise in Dorner-Produkte implementiert und den Betonwerken zur Verfügung gestellt. 

Umsetzung im Tief- und Infrastrukturbau

«Es ist in der Tat so, dass wir im Tiefbau noch einmal andere Anforderungen an die Dauerhaftigkeit des Betons haben und sich hier die Rezepturen etwas schwieriger umsetzen lassen. Aber auch hier sind wir auf einem guten Weg», erklärt Stürwald. 

Mit der Schweizer Klimastrategie und den Gesetzesänderungen der letzten Jahre zur öffentlichen Beschaffung, dem Klimagesetz (KIG) und dem gerade erst geänderten Umweltschutzgesetz wird auch der Druck auf Bundesbehörden wie das Bundesamt für Strassen (ASTRA) grösser. 

Im mittlerweile angelaufenen Projekt «Klimaeffiziente Tiefbaubetone», bei dem auch das ASTRA beteiligt ist, sollen daher zementarme Tiefbau-Betonkonzepte entwickelt werden, die insbesondere die Dauerhaftigkeitsanforderungen im Tief- und Verkehrswegebau erfüllen. 
 

Es tut sich einiges

Simone Stürwald und ihrem Team wird also definitiv nicht langweilig, doch der Ansporn ist gross. Die Schweizer Klimaziele sind ambitioniert gesteckt und um diese einhalten zu können, ist ohnehin kein Ausruhen erlaubt. 

So schlummert weiteres Potenzial in der Reduzierung von Betonquerschnitten und in der Wiederverwendung von Betonbauteilen. Beispielsweise zeigten Versuche mit gefalteter Papierschalung für Betonfertigteile, dass so günstig und abfallarm querschnittsoptimierte Bauteile hergestellt werden können. Der Ansatz wurde an und mit der USI in Mendrisio entwickelt. Eine von Stürwalds Studentinnen hat hierfür einen speziellen Beton entwickelt. Derzeit ist nachhaltiger Beton häufig noch kostenintensiver als herkömmlicher Beton. Allerdings gerät die Branche immer mehr unter Druck und in der Praxis sind gute und breit umsetzbare Lösungen sehr gefragt. 

Prof. Stürwald ist mit allen Beteiligten auf einem guten Weg – für eine nachhaltigere und klimafreundliche Zukunft. Für uns alle.

Kontakt

Prof. Simone Stürwald
IBU Institut für Bau und Umwelt
+41 58 257 41 59
simone.stuerwald@ost.ch

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