Ausgabe 02 / 2024

«Hauptmotor ist Wirtschaftlichkeit»

Ursula Ammann

Die E-Mobilität kommt mehr und mehr in Fahrt, auch wenn ihr Anteil auf Schweizer Strassen noch gering ist. Um den Aufwärtstrend nicht zu bremsen, braucht es neben einer breiteren Auswahl an elektrischen Fahrzeugmodellen auch genügend Lademöglichkeiten – einerseits im öffentlichen Raum, andererseits in Wohnhäusern. Dort können die Fahrzeuge zum Beispiel mit Strom aus der hauseigenen Solaranlage aufgeladen werden. Im Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger dürfte auch die «Vehicle to Home»- und «Vehicle to Grid»-Technologie an Bedeutung gewinnen. Dabei dienen Elektroautos als Speicher für überschüssige Energie und geben diese zu einem späteren Zeitpunkt ans Hausnetz oder ans allgemeine Stromnetz zurück.

Jedes dritte Auto, das 2023 in der Schweiz verkauft wurde, hat einen Stecker. Bei den Neuzulassungen steigt der Anteil der Elektrofahrzeuge von Jahr zu Jahr. Dennoch machen sie auf Schweizer Strassen derzeit erst rund 3,5 Prozent aus. Warum fahren die meisten Menschen nach wie vor ein Auto mit Verbrennungsmotor?

Dafür gibt es gemäss Markus Markstaler vom IES Institut für Energiesysteme der OST – Ostschweizer Fachhochschule vielfältige Gründe. Wer noch ein funktionstüchtiges treibstoffbetriebenes Auto besitze, ersetze dieses in der Regel nicht sofort durch ein Elektroauto. «Der Umstieg zieht sich von daher so lange hin, wie die Fahrzeuge in Gebrauch bleiben.» Geht es darum, ein neues Fahrzeug anzuschaffen, ist laut dem Experten auch die Auswahl an verschiedenen Modellen entscheidend. «Die Palette der derzeit erhältlichen elektrisch betriebenen Fahrzeuge deckt nicht alle Bedürfnisse ab», erklärt Markstaler. «Wer ein Auto sucht, mit dem man beispielsweise einen Wohnwagen über lange Distanzen ziehen kann, stösst bei den E-Fahrzeugen im Moment noch auf ein kleines Angebot.» Dies ändere sich nun jedoch mit den neuen Modellen, die zunehmend auf den Markt kommen. 

Grafik einer Helvetiafigur, die an Tankstelle steht
E-Autos werden hauptsächlich zu Hause geladen

Derzeit verfügen Elektroautos in der Regel über eine Reichweite von 200 bis 400 Kilometern. Deshalb ist ein flächendeckendes Netz an Ladestationen zentral. Bis Ende 2023 gab es in der Schweiz etwa 16 865 öffentlich zugängliche Ladestationen. Gemäss «Roadmap Elektromobilität», einem Strategiepapier mit Massnahmen und Zielen zur Förderung der Elektromobilität sollen bis Ende 2025 insgesamt 20 000 solcher Ladestationen realisiert werden. «Im öffentlichen Raum ist vor allem die Möglichkeit zur Schnellladung wichtig», sagt Markus Markstaler. Dies insbesondere für jene, die auf längeren Strecken unterwegs seien. Jedoch sei es zu teuer, das E-Auto vorwiegend an öffentlichen Ladestationen mit Strom zu laden. «In der Praxis passiert das Laden hauptsächlich am Wohnort, wenn das Auto sowieso abgestellt ist. Für das Laden eigens zu einer öffentlichen Ladestation zu fahren, ergibt wenig Sinn und ist nicht wirtschaftlich», so Markstaler, der den Zertifikatskurs (CAS) Elektrische Energiesysteme an der OST leitet. Es brauche deshalb auch genügend Lademöglichkeiten an den Wohnorten. «Bei Neubauten sollte eine entsprechende Infrastruktur bereits Standard sein. Bei bestehenden Mehrfamilienhäusern sind intelligente Lösungen gefragt.» 

Teurer in der Anschaffung, günstiger in Betrieb und Wartung

Mit dem Ausbau erneuerbarer Energieträger wird es vermehrt möglich sein, das Elektroauto mit eigens produziertem Strom zu laden – beispielsweise mit Solarstrom vom eigenen Hausdach. Das spart Kosten. Wer von einem Benzin- oder Dieselfahrzeug auf ein E-Auto umsteigt, fährt allgemein günstiger. Zwar sind Elektroautos teurer in der Anschaffung, bei den Betriebs- und Wartungskosten schneiden sie aber besser ab als Verbrenner. «E-Mobilität ist also wirtschaftlicher, wenn das Fahrzeug gut genützt wird», sagt Markus Markstaler. 
Die Entscheidung für ein E-Auto ist somit längst nicht mehr rein ideologischer Natur. Ökologische Überlegungen dürften zwar nach wie vor eine Rolle spielen, doch ausschlaggebend sind ökonomische Faktoren. «Hauptmotor ist immer die Wirtschaftlichkeit», sagt Markstaler. Dieser Grundsatz gelte aber für die Mobilität im Allgemeinen. «Es werden in Zukunft weitere Mobilitätsformen entstehen – sei es durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, durch Sharing-Angebote oder durch kreative Kombinationen aus ÖV und Velo.» Zudem verändere sich die Mobilität aufgrund von Remoter-Arbeitsweisen. «Diese neuen Angebote und Entwicklungen könnten viele Menschen dazu bewegen, ganz aufs Auto zu verzichten.»

Fahrzeugbatterie als Energiespeicher

Künftig dürften Elektroautos auch als temporärer Energiespeicher eine bedeutende Rolle spielen. Möglich wird dies durch «Vehicle-to-Home» (V2H) oder «Vehicle-to-Grid (V2G). Es handelt sich dabei um eine Technologie, die die bidirektionale Ladefähigkeit von Elektrofahrzeugen nutzt: Auf diese Weise kann Strom aus der hauseigenen Solaranlage in Elektroautos geladen und bei Bedarf wieder ins Hausnetz beziehungsweise ins allgemeine Netz zurückgespeist werden. «Die Tatsache, dass die Fahrzeuge die meiste Zeit stehen, insbesondere zu Hause, macht sie zu einem idealen Speichermedium», sagt Markus Markstaler vom IES Institut für Energiesysteme der OST. Die zusätzliche Speicherfunktion trage auch nicht zum vorzeitigen Altern bei, wie neueste Erkenntnisse zeigen.

Weiterbildung im Bereich Energiesysteme

E-Mobilität ist eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende. Im Zertifikatskurs (CAS) Elektrische Energiesysteme an der OST bildet die E-Mobilität einen der Schwerpunkte. Der Kurs vermittelt ein umfassendes Bild der elektrischen Energieversorgung, die im Zuge der Dekarbonisierung weiter an Bedeutung gewinnt. Die Teilnehmenden lernen die relevanten Komponenten der dezentralen Versorgung kennen und erlangen neben den Grundlagen im Bereich der E-Mobilität auch Wissen über Photovoltaik, Energiemeteorologie, Netzintegration via Wechselrichter oder Speichertechnologien. Der CAS Elektrische Energiesysteme kann als in sich geschlossene Weiterbildung oder als Teil des MAS Energiesysteme bzw. des M. Eng. Energiesysteme und Energiewirtschaft absolviert werden.

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