«Muss von vielem Ahnung haben»
Thomas Rupp ist ein Quereinsteiger mit einem ungewöhnlichen Berufsweg. Sein ausgeprägtes Interesse hat ihn in viele unterschiedliche Berufsfelder geführt. Das kommt ihm in seiner aktuellen Funktion zugute.
Wenn es irgendwo brennt, ist er einer der ersten vor Ort. Thomas Rupp ist Kriminaltechniker und zuständig für Brände und Spezialfälle im Kompetenzzentrum Forensik bei der Kantonspolizei St.Gallen. «Wenn wir am Ereignisort eintreffen, sind oft zahlreiche Personen vor Ort – Feuerwehr, Rettung, unsere Kollegen von der Regionalpolizei und weitere Fachdienste der Kantonspolizei. Dann muss ich mir erstmal einen Überblick verschaffen, teilweise weitreichende Entscheidungen treffen, und darf nichts Wichtiges aus den Augen verlieren. Es gibt immer einen Zeitdruck», erzählt der Brandexperte.
«Wir suchen und dokumentieren Spuren, die Hinweise zum Hergang des Ereignisses liefern. Dabei stellen wir auch Gegenstände für weitere physikalische und technische Abklärungen sicher, die wir dann im Labor untersuchen. Für diese Arbeiten sind wir mit unseren technischen Hilfsmitteln sehr gut aufgestellt. Meist haben wir die notwendigen Geräte im Einsatzfahrzeug. 3D-Laserscanner, Drohnen und 360°-Kameras benutzen wir zur Dokumentation von Brandobjekten und komplexen Verkehrsunfällen. Wir können auch auf andere Fachdienste zugreifen und zum Beispiel einen Brandmittelspürhund hinzuziehen», erklärt der Kriminaltechniker. «Unsere Befunde mitsamt einer Bewertung schicken wir als Untersuchungsbericht direkt an die Staatsanwaltschaft.»
Schussproben im Keller
Neben der Untersuchung von Brandfällen ist der 57-Jährige auch für Schusswaffenbelange zuständig. Er leitet die Fachgruppe Schusswaffen der Interkantonalen Kriminalpolizeilichen Arbeitsgruppe Kriminaltechnik. Im Keller der Kantonspolizei befindet sich ein ansehnliches Arsenal an Schusswaffen, das zur Identifikation einer möglichen Schusswaffe, als Ersatzteillager und zur Ausbildung dient. «Wenn eine Waffe als Tatwaffe in Frage kommt, wird sie hier ‹beschossen›. Wir machen Schussproben, um mechanische Spuren auf Hülsen und Projektilen mit den Spuren auf Munitionsteilen zu vergleichen, die am Tatort gefunden wurden. Dazu werden sie mit dem ballistischen Identifikationssystem digitalisiert und mit Munitionsteilen in der Datenbank verglichen.» Aber er stellt gleich klar: «Bei uns gibt es wenig Gewaltverbrechen, bei denen Schusswaffen eingesetzt werden. Suizide und Unfälle mit Schusswaffen gehören eher zu meinem Berufsalltag.»
Ein ungewöhnlicher Weg
Thomas Rupp ist ein Quereinsteiger, der keine typische Polizeilaufbahn absolviert hat. «Ich habe die kriminaltechnische Arbeitsweise ‘on the job’ gelernt und mehrere Spezialkurse besucht. In der Kriminaltechnik braucht es naturwissenschaftliches und technisches Knowhow, deshalb führen viele Wege in den Beruf. Manche kommen über eine Laborlehre, andere machen ein Studium der Kriminalwissenschaften an der Universität Lausanne.»
Auf seinem eigenen, unkonventionellen Weg in die Kriminalistik hat Thomas Rupp Abstecher in unterschiedliche Berufswelten gemacht und sich dabei ein vielfältiges Spektrum an Wissen und Fähigkeiten angeeignet. Ursprünglich hat der gebürtige Wattwiler eine Ausbildung zum Elektromonteur gemacht. Doch zwischen Lehre und Kriminaltechnik liegen viele weitere berufliche Stationen. In seinen ersten Berufsjahren arbeitete er als Elektroinstallateur, Installationsplaner und in der Gebäudeautomation. «Ich habe ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, kann leicht technische Zusammenhänge erkennen und mir vorstellen.» Fähigkeiten, die auch in der Kriminaltechnik von hohem Nutzen sind.
Noch was anderes ausprobieren
«Mit 30 Jahren wollte ich noch was anderes ausprobieren und habe mich entschlossen, die Zweitwegmatura und ein Studium an der Pädagogischen Hochschule zu machen.» Acht Jahre lang arbeitete er als Sekundarlehrer für Mathematik und Naturwissenschaften, überwiegend am Oberstufenzentrum Thurzelg. «In der Schule habe ich gelernt, klare Ansagen zu machen und mich durchzusetzen», lautet sein persönliches Fazit. «Das kommt mir auch jetzt manchmal zugute.»
Irgendwann war die Zeit jedoch reif für einen erneuten Berufswechsel. «Ich wollte wieder mehr meinem technischen Interesse nachgehen und fand das Ingenieurstudium an der NTB Buchs (heute OST – Ostschweizer Fachhochschule) spannend. Dann habe ich Systemtechnik mit der Fachrichtung Technologie und Prozesse studiert. Das entspricht heute den Bereichen Fertigungsprozesse und Materialanalytik», erklärt er. «Nach dem Bachelor war ich einige Jahre am Institut für Mikro- und Nanotechnologie (heute Institut für Mikrotechnik und Photonik) der Fachhochschule in der Forschung und Entwicklung tätig und habe nebenbei noch den Master gemacht.» Und schliesslich entschied sich der Forscher zum Schritt in die Kriminalistik.
Ich lasse mich schnell für etwas begeistern.
Thomas Rupp, Kriminaltechniker
Du weisst nie, was dich erwartet
Analytisches Denken und systematisches Arbeiten sind dem ehemaligen Wissenschaftler somit bestens vertraut. «Bei der Brandursachenermittlung arbeiten wir nach dem Ausschlussprinzip. Im besten Fall kann die Brandursache auf einige wenige Möglichkeiten eingegrenzt werden. Zu unseren Aufgaben gehört es, die Sachbeweise zu bewerten. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die plausibler ist als der Rest. Man muss von vielem eine Ahnung haben, um Zusammenhänge zu erkennen und herauszufinden, was nicht ins Bild passt.» An seiner Arbeit in der Forensik liebt er die Schnelligkeit und die Flexibilität. «Wenn du morgens kommst, weisst du nie, was dich im Laufe des Tages erwartet. Das entspricht mir. Wir haben grosse Freiräume, ich kann viel selbstverantwortlich entscheiden.»
Was ihn antreibt, sind seine Neugier und sein Wissensdrang. «Ich lasse mich schnell für etwas begeistern.» Dass er auch grossen Durchhaltewillen hat, zeigt sein ungewöhnlicher Berufsweg. In der Freizeit ist Thomas Rupp mit seinen Geissen im Appenzellerland unterwegs. Geissentrekkings für Gäste führt er aktuell nicht mehr durch, die beruflichen Belastungen fordern längere Erholung. Was er sich für seine Zukunft vorstellen kann? «Vielleicht nach der Pensionierung ein Van Life. Aber wer weiss, die Zukunft ist erst morgen!»
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