Ausgabe 01 / 2025

Für sichere Tunnels dem Rauch auf der Spur

Willi Meissner

Ein Tunnelbrand kann schnell lebensbedrohlich werden. Wie bei allen Bränden ist vor allem der Rauch für Menschen sehr gefährlich, weil er bereits nach wenigen Atemzügen zu tödlichen Rauchvergiftungen führen kann. Um die Sicherheit zu erhöhen, untersucht das IET Institut für Energietechnik der OST gemeinsam mit der Riess Ingenieur-GmbH im Auftrag des Bundesamts für Strassen (ASTRA) den sogenannten Throttling-Effekt. Ziel ist es, die Ventilation so zu optimieren, dass Rauch im Brandfall effizient aus dem Tunnel abgeführt werden kann.

Bei einem Brand in einem Tunnel entstehen extreme Temperaturen bis zu über 1000 Grad Celsius. Die Hitze sorgt dafür, dass sich die Luft ausdehnt und an der Decke entlang strömt. Dabei bildet sich eine Schichtung aus unterschiedlich heissen Rauchgasen. Es wird vermutet, dass diese oberste heisse Schicht schneller an der Tunneldecke entlang strömt als in tieferen Bereichen, und dadurch ein erhöhter Druckverlust bzw. Strömungswiderstand entsteht, der durch die Ventilatoren an der Decke überwunden werden muss, um den Rauch aus dem Tunnel zu blasen. Dies wäre ein weiterer Beitrag zum so genannten Throttling-Effekt, wozu es bislang keine Messungen gibt. «Für eine sichere Evakuierung geht man davon aus, dass der Rauch mit 3 Metern pro Sekunde aus dem Tunnel ausgeblasen werden muss», erklärt IET-Projektleiter Alex Weber. Je länger ein Tunnel ist, desto schwieriger wird es, diese Geschwindigkeit aufrechtzuerhalten.

IET-Projektteam vor 600 Meter langem Testtunnel in Spanien.
Das Projektteam um Alex Weber (2. v. rechts) bei der Arbeit vor Ort in Spanien.
Grossangelegte Messungen in Spanien

Um die Auswirkungen des Throttling-Effekts konkret zu analysieren, führte das Forschungsteam des IET umfangreiche Brandtests in einem 600 Meter langen Testtunnel in San Pedro de Anes, Spanien, durch. Insgesamt 25 Messpunkte verteilten sich über den gesamten Tunnel, um Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit und Druckverlust präzise zu erfassen. Projektleiter Alex Weber betont die Bedeutung der Messungen: «Mit den vielen Messpunkten konnten wir alle Geschwindigkeitsprofile des Rauchs entlang des gesamten Tunnels messen.»

Diese Daten bildeten die Grundlage für umfangreiche 3D-CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics), mit denen Tunnelbrände unter verschiedenen Bedingungen simuliert werden. Das wird es dem ASTRA ermöglichen, die Normen für Tunnelsicherheitsvorschriften zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Brandtest im 600 Meter langen Testtunnel in San Pedro de Anes in Spanien.
Bein einem Tunnelbrand entsteht schnell eine enorme Hitze von teils über 1000 Grad Celsius.
Richtlinien auf Basis alter Normen

Ein Auslöser für das Forschungsprojekt war ein Entscheid der USA, bestehende Tunnelbrandrichtlinien aus den 1980er Jahren zurückzuziehen, da sie nicht mehr den aktuellen technischen Erkenntnissen entsprechen. Auch in Europa existieren unterschiedliche Normen, die teils veraltet sind. Während Länder wie die Schweiz und Österreich mit vielen Tunneln eigene Richtlinien entwickelt haben, orientieren sich viele Länder weiterhin an den alten US-Normen.

Mit den neuen Messdaten und Simulationsergebnissen möchte das ASTRA eine belastbare Grundlage schaffen, um modernisierte Richtlinien zu entwickeln. Besonders im Fokus steht dabei, wie stark der Druckverlust in den häufig langen Tunneln der Schweiz durch den Throttling-Effekt beeinflusst wird und ob die Dimensionierungsrichtlinien für die Ventilatoren an der Tunneldecke korrekt ausgelegt sind, um den Rauch im Brandfall zuverlässig abzuleiten.

IET-Projektteam an Messungen.
Forschung für die Sicherheit der Zukunft

Während die Messungen vor Ort nur wenige Wochen in Anspruch nahmen, werden die Daten nun bis Ende 2026 ausgewertet und in Computersimulationen auf verschiedene Brände und Tunnelsituationen angewendet. Ziel ist es, dem ASTRA die erforderliche Datenbasis zu geben, um sicherzustellen, dass auch bei extremen Tunnelbränden der Rauch effizient abgeführt wird. «Wir hoffen, mit unseren Forschungsergebnissen eine realistische Grundlage für künftige Richtlinien zu schaffen, damit Tunnel auch in Zukunft sicher sind», so Alex Weber.

Kontakt

Alex Weber
Fachbereichsleiter Scientific Computing & Engineering
IET Institut für Energietechnik
+41 58 257 42 46
alex.weber@ost.ch

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