Ausgabe 01 / 2025

Energielieferant Autobahn

Daniel Last

Die Schweiz ist klein. Und benötigt dennoch viel Strom. Idealerweise nachhaltig und im eigenen Land produziert. Kein einfaches Unterfangen, doch das IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering hätte eine hochinteressante Lösung parat. Die Umsetzung brachte zunächst allerdings Probleme mit sich.

Während das Stimmvolk dem Ausbau des Autobahnnetzes im November 2024 eine Absage erteilt hat, untersuchen Prof. Dr. Lukas Schmid und das Team des IDEE einen ganz anderen Ausbau. Denn wie eingangs erwähnt, geht es darum, nachhaltigen Strom zu produzieren. In einem Land, das aufgrund seiner Topografie alles andere als ein Selbstläufer für ein solches Unterfangen ist. Die Ausnutzung der Wasserenergie ist sehr weit fortgeschritten und bietet nicht mehr allzu viel Potenzial. Windparks stossen auf grossen Widerstand in der Bevölkerung und – wie erwähnt – die Schweiz ist klein. Bleibt die Solarenergie, die in den letzten Jahren gerade auf den Dächern vieler Eigenheime regelrecht boomte. Doch dies allein reicht nicht, wie Lukas Schmid erklärt: «Zunächst ist es so, dass die privaten PV-Anlagen in der Regel nach Süden ausgerichtet sind, sprich, der Peak der Stromerzeugung findet tagsüber, insbesondere um die Mittagszeit, statt und die produzierte Strommenge ist vor allem im Sommer gross. Für eine ganzheitliche Stromversorgung ist es jedoch essenziell, auch Anlagen zu haben, die in den Morgen- und Abendstunden sowie über das Winterhalbjahr verlässlich Strom produzieren.  Aus diesen Gründen braucht es zusätzliche Anlagen, welche diesen Aspekten besonders Rechnung tragen.»

Nur, wo sollen diese stehen? Im alpinen Raum gibt es massive Einschränkungen, wenn es sich um landwirtschaftlich genutzte Zonen handelt. Und es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: «Bei solchen Anlagen im alpinen Raum reden wir mitunter von horrenden Erschliessungskosten. Bei teils kilometerlangen Leitungen stehen hier Kosten und Nutzen in keinem entsprechenden Verhältnis mehr zueinander», so Schmid.

Solaranlagen entlang der Autobahn liefern nachhaltigen, im eigenen Land produzierten Strom.
Ein solcher Aufbau an der A13 bei Buchs ist ein durchaus realistisches Szenario.
Verlockende Eckdaten

Und nun kommt eine von den beiden Unternehmen Formfinder und ChangeDynamics aufgeworfene Idee ins Spiel, die es mittlerweile zu einem von der EKT Energiestiftung finanzierten Entwicklungsprojekt des Instituts für Innnovation, Design und Engineering gebracht hat. Autobahnen bieten ein grosses Potenzial, sind sie doch in der Regel nicht in unmittelbarer Nähe zu Wohnquartieren gebaut oder zumindest in einer angemessenen Entfernung. Das Team vom IDEE hatte etwas viel «Grösseres» im Blick als normale Panels, die punktuell schon im Umfeld von Autobahnen zu finden sind. Und zwar eine Autobahnüberdachung in Leichtbauweise mit Solarpanels bestückt – eine hochinteressante Ausgangslage, allein schon beim Blick auf die Eckdaten: Eine 400 Meter lange Überbauung würde bei Investitionskosten von etwa 10 Millionen Franken pro Jahr rund 2500 MWh Strom liefern – dies entspricht dem Bedarf von gut 250 Einfamilienhäusern. Der ROI (Return of Investment) läge bei gerade einmal 10 Jahren. Die Nord-Süd-Ausrichtung der Autobahn, um insbesondere die Ost- und West-Sonne auszunutzen, wäre zudem auf einigen Autobahnabschnitten in der Schweiz gewährleistet. Und das Bauprojekt würde aufgrund der Leichtbauweise keine massiven Fundamente erfordern.

Doch so verlockend dies alles klingen mag, die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Zu schwierig. «Es gibt mehrere Faktoren, die hier zusammengekommen sind. Zunächst müsste bei einem solchen Bau die entsprechende Autobahn immer wieder (teil)gesperrt werden, hier entstünden allein pro Tag Kosten von über 10 000 Franken. Bei einer kompletten Überdachung kämen ausserdem Sicherheitsanforderungen, die denen eines Tunnels vergleichbar sind, mit entsprechenden Kosten zum Tragen und darüber hinaus müsste der Bauherr der ASTRA garantieren, die Mehrkosten für Wartung und dergleichen für die kommenden 25 Jahre leisten zu können», führt Projektleiter Dr. Ramon Hofer Kraner vom IDEE aus. Somit wurde in Absprache mit der ASTRA der Plan für die Komplettüberdachung verworfen.

Leichtbauweise ad acta gelegt

Nun könnte man meinen, dass damit das Projekt gestorben wäre. Doch es wurde fieberhaft an einem abgeänderten Plan getüftelt, der sich dann als realistischer umzusetzen entpuppte. Und zwar sollen die entsprechenden Autobahnabschnitte auf der linken und/oder rechten Seite bebaut werden. Dies bringt unter anderem die Vorteile mit sich, dass die betreffende Autobahn nicht gänzlich gesperrt werden müsste und zum Beispiel das «fehlende» Dach weitaus weniger Sicherheitsmassnahmen erfordert. Doch gibt es auf der anderen Seite eben auch Nachteile, wie Hofer Kraner erklärt: «Eine solche Konstruktion ist nicht mehr nur in Leichtbauweise möglich, sondern muss mehrheitlich als Massivkonstruktion ausgeführt werden. Dies wiederum erfordert massive Betonfundamente, was wiederum die Kosten sowie die CO2-Emissionen in die Höhe treibt.»

Und so werden aus einer ROI-Zeit von zehn Jahren ganz schnell knapp 25 Jahre bei ähnlichen Baukosten von zehn Millionen Franken. Ernüchternd? «Nein, es sind einfach andere Voraussetzungen. Grundsätzlich geht es uns mit diesem Projekt darum, die Machbarkeiten aufzuzeigen. Ob, und, wenn ja, wann ein Projekt in der Realität umgesetzt wird, liegt nicht in unserem Verantwortungsbereich», erklärt Hofer Kraner.

Was indes nicht bedeutet, dass keine Umsetzung angedacht wird. So wurde mit der Gemeinde Buchs eine sehr energieorientierte Partnerin gefunden, die sich bereit erklärt hat, der Durchführung des Projekts eine Chance zu geben. Auf rund 430 Metern soll an der A13 (mit der idealen Nord-Süd-Ausrichtung) eine Bebauung erfolgen, allerdings zunächst eine einseitige (s. Illustration). Bei der Umsetzung spielen dann auch noch weitere Faktoren eine Rolle, denn die Nachhaltigkeit soll nicht nur beim erzeugten Strom gewährleistet sein, sondern auch bei der Materialwahl. So wurde neben den bereits eingebundenen Partnerunternehmen Implenia AG und Solarmotion AG ein regionales Holzbauunternehmen gefunden, mit dessen Hilfe Holz in die Konstruktion eingebettet werden soll.

Schallschutz alles andere als einfach

Dass auch die Umsetzung in Buchs nicht ganz so einfach ist, mag sich der Leser nun fast schon denken. In der Tat bereitete die eine oder andere Herausforderung Kopfzerbrechen. So kam beispielsweise plötzlich die Sorge auf, dass in dem zu bebauenden Gebiet eine alte Ölleitung verlaufen würde, die in früheren Zeiten Öl aus Italien beförderte. Doch zu guter Letzt konnte hier Entwarnung gegeben werden und der Schlaf der Beteiligten wurde um einiges ruhiger.

Ein weiterer interessanter Aspekt sei noch erwähnt, sind vielen doch die Solarpanels an der A13 bei Felsberg und Domat/Ems ein Begriff. Aufbauend auf diesem Projekt gibt es in der Schweiz schon länger Bestrebungen, PV-Anlagen in Schallschutzwänden zu integrieren. So wäre dies auch bei der Anlage in Buchs wünschenswert. Doch dies gestaltet sich ebenfalls alles andere als einfach. «Schallschutzwände schlucken den Schall. Schaut man sich die Beschaffenheit von Solarpanels an, so wird schnell klar, dass diese von der Struktur her den Schall eher reflektieren», erläutert Schmid. Dies dürfte auch in Zukunft noch eine grosse Herausforderung bei der Umsetzung im Bereich des Schallschutzes werden und es gibt derzeit noch keine (gänzlich) schlüssige Lösung für dieses Problem.
 
Wie dem auch sei, im März 2025 wird der Projektabschluss erfolgen und bis dahin wird das IDEE hoffentlich die Machbarkeit des Unterfangens aufgezeigt haben. Und wer weiss, vielleicht wird es eines Tages dann doch den «Solartunnel» in Leichtbauweise geben. Technisch machbar wäre es – zumindest mit grösster Wahrscheinlichkeit.

Und mittlerweile hat auch der Kanton St.Gallen eine Studie veröffentlicht, die das Potenzial der Solarstromgewinnung im Zusammenhang mit National- und Kantonsstrassen unterstreicht.

Kontakt

Prof. Dr. Lukas Schmid
IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering
+41 58 257 12 90
lukas.schmid@ost.ch

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