Ausgabe 01 / 2025

OST-Absolvierende führen Familienunternehmen weiter

Ursula Graf

Die Brüder Jakob und Thomas Marti, Absolventen einer OST-Vorgängerhochschule, gründeten vor über 40 Jahren das Unternehmen marti engineering. Die Firma mit heute über 50 Mitarbeitenden entwickelt im Kanton Glarus Automatisierungslösungen für die Industrie. 2024 haben die Gründertochter und drei langjährige Mitarbeiter das Unternehmen übernommen. Alle haben an der OST studiert. Ein Gespräch mit der ehemaligen Hochschulrätin Annina Marti und Michael Luchsinger vom Nachfolgeteam, wie man ein Familienunternehmen in die nächste Generation überführt.

Sie haben als Team das Unternehmen marti engineering übernommen. Wie kam es dazu?
Annina Marti: Mein Vater Jakob ist schon vor längerer Zeit altersbedingt aus dem Unternehmen ausgestiegen. Nun wollte auch mein Onkel Thomas seine Pensionierung planen. Er hatte die Vorstellung einer breit abgestützten Führung, bei der die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird. So entstand die Idee des internen Management-Buy-outs. Den Gründern war es wichtig, dass die Firma weiter besteht und im Kanton Glarus Arbeitsplätze schafft. Sie suchten eine möglichst stabile Nachfolgelösung mit einer jüngeren Generation. So ist das Viererteam mit Pascal Kamber, Michael Luchsinger, Roman Wohlwend und mir zustande gekommen.

Was war besonders herausfordernd?
A. M.: Herausfordernd war das Juristische, bis wir mal alles geklärt hatten, die notwendigen Firmenunterlagen zusammengetragen und Kaufverträge aufgesetzt wurden. Alle aus dem Übernahmeteam mussten einen genauen Einblick in die Firma haben. Dabei wurde die ehemalige und die neue Inhaberschaft vom gleichen Treuhänder begleitet. Wir haben den Übergabeprozess gemeinsam erarbeitet und eine faire Lösung gefunden.

Alte und neue Inhaberschaft: Annina Marti, Roman Wohlwend, Jakob Marti, Pascal Kamper, Michael Luchsinger, Thomas Marti
Alte und neue Inhaberschaft: Annina Marti, Roman Wohlwend, Jakob Marti, Pascal Kamper, Michael Luchsinger, Thomas Marti

Wie haben Sie die Übergabe erlebt?
Michael Luchsinger: Ich wurde angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in eine Nachfolgelösung einzusteigen. Aber ich hatte nie das Karriereziel, Unternehmer zu werden. Es war ein Prozess. Ausschlaggebend war für mich, dass wir als Team harmonieren. Wir kennen uns schon lange, können offen miteinander reden und uns aufeinander verlassen. Ausserdem kennen wir die Firma schon lange. Das war eine gute Grundlage. Schliesslich hat mich gereizt, eine interessante Herausforderung anzunehmen und die Zukunft der Firma mitzugestalten.

Worin sehen Sie den Gewinn eines Führungsteams?
M. L.: Wir haben immer einen internen Sparringspartner, mit dem wir ein Thema erörtern und bei dem wir eine Zweitmeinung einholen können. Das ist besonders wertvoll. Der Druck auf Unternehmen ist heute sehr hoch und die Ansprüche im privaten Bereich steigen. Im Viererteam ist das Risiko bei einem unvorhergesehenen Ereignis vermindert.

Wie haben Sie den (Rollen-)Wechsel erlebt? 
A. M.: Die Hauptverantwortung lag früher immer bei Thomas Marti. Bei Entscheidungen gab es dadurch immer eine Absicherung durch ihn. Der Hauptunterschied zu meiner vorherigen Rolle ist der gefühlte Druck, für alle Entscheidungen immer die volle Verantwortung zu übernehmen. Aber wir können uns im Viererteam absichern und eine Mehrheitsentscheidung treffen.

Wie hat die Belegschaft reagiert? 
M. L.: Als wir über den Inhaberwechsel informiert haben, waren die Reaktionen durchweg positiv. Das war für uns die Bestätigung, dass unsere Entscheidung richtig gewesen ist. Wir bekommen viel Support von den Mitarbeitenden. 
A. M.: Für die Belegschaft war es wichtig zu wissen, wie es weitergeht. Jetzt gibt es eine Lösung, die für alle sympathisch ist. Die Akzeptanz war sicher auch gross, weil niemand von extern kam. Es wurde begrüsst, dass eine jüngere Generation das Unternehmen führt. Das Tempo im Prozess war recht hoch. Wir haben die Holding gegründet, den Kaufvertrag unterschrieben und am nächsten Tag wurden Mitarbeitende, Kundinnen und Lieferanten informiert. Alles war durchorchestriert. 

Was hat Sie für ein Maschinenbau-Studium motiviert? 
A. M.: Ich habe mich immer für Mathematik und Geometrie interessiert. Da lag es nahe, etwas in Richtung Technik zu lernen. Darum habe ich mich entschieden, Konstrukteurin zu werden. Aufgrund der schulischen Leistungen und meiner Interessen war klar, dass ich noch ein Studium machen möchte. Das Maschinenbau-Studium war spannend. Die Vertiefung Automatisierung und Robotik habe ich gewählt, weil ich unbedingt beim Eurobot-Wettbewerb teilnehmen wollte. 

Wovon haben Sie am meisten profitiert?
A. M.: Personen mit einer höheren Ausbildung können strukturiert arbeiten und vernetzt denken. Im Studium lernt man, organisiert vorzugehen und Prioritäten zu setzten. Davon habe ich am meisten profitiert. Später habe ich als leitende Ingenieurin noch eine Weiterbildung im Bereich Verkauf und Führung gemacht. Aber für eine Führungsposition bringt auch Lebenserfahrung einen Mehrwert, zu der meine Kinder beigetragen haben. 

Was spielte bei Ihrer Studienwahl eine Rolle? 
M. L.: Das Studium Erneuerbare Energien und Umwelttechnik hat mich am Informationstag überzeugt. Die Grundlagen sind ähnlich wie im Maschinenbau. Um mein Wissen zu technischen Lösungen zu vertiefen, habe ich noch den Master in Industrial Engineering absolviert. Was ein Studium vermitteln kann, ist die Herangehensweise an eine Problemstellung, um sich einen Lösungsweg zu erarbeiten. Ich habe mir auch betriebswirtschaftliches Grundwissen angeeignet, aber in der Praxis ist viel Learning by Doing. 

Was fordert Sie als Unternehmer?
M. L.: Die grösste Herausforderung besteht darin, alle Bedürfnisse bestmöglich zu erfüllen – die der Mitarbeitenden und der Kundschaft und auf privater Ebene Familie, Kollegen und den Job unter einen Hut zu bringen. Wir möchten auch Änderungen vornehmen, das braucht enorm viel Zeit. Das Management der eigenen Energieressourcen ist sehr anspruchsvoll. 

Was macht Ihr Unternehmen aus? 
A. M.: Als Unternehmerin sind mir zufriedene Mitarbeitende und zufriedene Kunden wichtig. Bei uns gibt es eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen. Die Atmosphäre ist familiär. Wir sprechen auf Augenhöhe miteinander. Das macht uns aus. Gegenüber unseren Kundinnen und Kunden arbeiten wir so lange an Lösungen, bis die Maschine zufriedenstellend läuft. Wir haben hohe Ansprüche an Qualitätsstandards. 

Welche Neuerungen haben Sie vor?
M. L.: Wir sind dabei, unsere internen Prozesse zu hinterfragen und uns zu überlegen, wie wir als Firma effizienter werden können. Wir konstruieren immer komplett neue Maschinen, die vorher noch nie gebaut wurden. Da passieren natürlich Fehler. Wir machen uns Gedanken, wie wir unsere Fehlerquote reduzieren können, und haben angefangen, alle Prozesse aufzuzeichnen, um unsere Abläufe zu optimieren. 

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
A. M.: Ein wichtiges Kundensegment ist die Automobilindustrie, die gerade in einer Krise steckt. Dadurch entfallen zurzeit Anfragen und Aufträge. Aber da wir noch weitere Branchen beliefern, blicken wir durchweg positiv nach vorne. Natürlich sind wir auch offen, uns weiterzuentwickeln und in anderen Branchen Fuss zu fassen, zum Beispiel in der Medizinaltechnik.

Portrait von Annina Marti.

Annina Marti, 42, Kinder (9/3), Lehre als Konstrukteurin EFZ, Studium Maschinenbau mit Vertiefungsrichtung Automatisierungstechnik an der HSR (2003), OST-Hochschulrätin für den Kanton Glarus (2020–2024), seit 2010 im Unternehmen, Leiterin Logistik, Mitglied der Geschäftsleitung und Verwaltungsratspräsidentin.

Portrait von Michael Luchsinger.

Michael Luchsinger, 29, Lehre als Konstrukteur EFZ, Studium Erneuerbare Energien und Umwelttechnik an der HSR (2019), Master Industrial Engineering an der OST (2021), seit 2011 im Unternehmen, Co-Geschäftsführer, Leiter Projektierung und Verkauf.

Zum Inhaberteam gehören: Pascal Kamper, 33, Lehre als Konstrukteur EFZ, Studium Maschinentechnik an der HSR (2015), seit 2013 im Unternehmen, Leiter Konstruktion und Entwicklung, Mitglied der Geschäftsleitung; Roman Wohlwend, 32, Kinder (2/0), Lehre als Automatiker EFZ, Studium Maschinentechnik an der HSR (2014), Master Automation Management an der FHNW (2021), seit 2011 mit Unterbruch im Unternehmen, Co-Geschäftsführer und Leiter Elektrik.

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