Ausgabe 01 / 2025

Ein OST-Absolvent erobert das Silicon Valley

Ursula Graf

Vom Betriebsökonom aus der Ostschweiz zum gefeierten KI-Pionier im legendären Silicon Valley: Walter Bächtigers Geschichte zeigt, dass Mut und Ausdauer zu ausserordentlichem Erfolg führen können.

«An künstlicher Intelligenz hat mich die Idee fasziniert, dass ein Computer bessere Entscheidungen treffen kann als ein Mensch. Als ich im Wirtschaftsstudium war, habe ich deshalb für meine Abschlussarbeit ein Kreditprognosesystem für die Credit Suisse entwickelt, das auf künstlicher Intelligenz basierte. Das war zu einer Zeit, als noch keiner eine Ahnung von KI hatte», erzählt Walter Bächtiger. Das notwendige Wissen habe er sich selbst beigebracht. Wenn das Interesse da sei, könne jeder alles lernen, so seine Überzeugung. Das sei eine Frage der Einstellung.

«Das Problem damals war, dass die Algorithmen unglaublich viel Rechenleistung brauchten. Ich habe meine Arbeit geschrieben und im Hintergrund hat der Computer die Sachen berechnet. Lange wusste ich nicht, ob das überhaupt funktioniert.» Es funktionierte, sehr gut sogar. Das von ihm entwickelte System war wesentlich besser als das bankeigene Programm. Klar wollte die Bank das vielversprechende System des jungen Studenten kaufen. «Aber daraus wurde nichts. Ich hatte keine Ahnung von Venture Capital oder wie man eine Firma aufbaut und die Schweiz war im Bereich Risikokapital noch nicht so weit.»
 

Portrait Walter Beachtiger auf der Dachterasse des OST-Campus St.Gallen
Walter ­Bächtiger
Algorithmen und Trainingsfelder

1997 schliesst er sein Betriebsökonomie-Studium an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV), einer Vorgängerschule der OST, ab. «Wir konnten im Studium unsere eigenen Themengebiete bearbeiten und wurden von qualifizierten Lehrpersonen dabei begleitet. Ich interessierte mich besonders für Statistik und Wahrscheinlichkeitsfragen, aber auch dafür wie man strategisch die besten Entscheidungen trifft. Davon habe ich später im Berufsleben profitiert.»

Nach dem Studium arbeitet der OST-Absolvent bei der Raiffeisenbank in der Strategieberatung. «Raiffeisen hatte viele strukturelle Herausforderungen. Ich war in dem Bereich tätig, in dem es um Fusionen und neue Geschäftsstellen-Eröffnungen ging.» Schnell zeigt der junge Betriebsökonom, was er draufhat. Er entwickelt einen Algorithmus, der berechnet, wo Raiffeisen neue Geschäftsstellen eröffnen sollte. «Dann musste unser Team die Verwaltungsräte dieser unabhängigen Raiffeisenbanken davon überzeugen, dass sie fusionieren oder eine neue Filiale eröffnen sollten. Das war ein hervorragendes Trainingsfeld für mich.» Die neuen Geschäftsstellen waren wirtschaftlich sehr erfolgreich und haben zu dem grossen Wachstum der Raiffeisenbank beigetragen. 
 

Erfolg hat weniger mit Genialität zu tun als mit Hartnäckigkeit, Willensstärke und Ausdauer.

Walter ­Bächtiger

The winner takes it all

Als er seine Frau kennenlernt, eine gebürtige Amerikanerin, geht Walter Bächtiger mit ihr in die USA. Dort gründet er 2010 VoiceBase, ein KI-Unternehmen, das Kundendienstanrufe analysiert und von vielen der 500 umsatzstärksten US-Unternehmen eingesetzt wird. VoiceBase avanciert zu einem gefragten «Tech-Start-up» im Silicon Valley. Netzwerke seien für Start-ups extrem wichtig. Man brauche Mentoren und erfahrene Wegbegleiter, die einen beraten und unterstützen. 

«Amerikanische Unternehmen werden ganz anders geführt. Da wird mit viel mehr Risiko operiert, schnelleres Wachstum, schnellere Entwicklung. Alles geht in einem anderen Tempo. Um Erfolg zu haben, muss man alles geben. The winner takes it all. Der Zweitbeste geht unter», erklärt Walter Bächtiger in seinem Vortrag am Inspiration-Day OST. «Wenn ein Start-up Erfolg haben will, muss es durchstarten wie eine Rakete und stets an Geschwindigkeit zulegen, das heisst, am schnellsten wachsen. Wer zuerst den grössten Marktanteil hat, gewinnt alles. Speed is everything.» Will heissen: Ein Start-up braucht viel Geld. Mindestens eine Million Dollar hat VoiceBase während der grössten Wachstumsphase monatlich «verbrannt». 

Zurücklegen für schlechte Zeiten, das gäbe es im Silicon Valley nicht. Im Gegenteil: Wer spart und Gewinne schreibt, der wächst nicht schnell genug und wird von den Investoren abgestraft. «Man muss es wie ein Spiel ansehen. Du darfst nicht eher aufhören, bis du gewonnen hast.» Der Ostschweizer hat dieses System perfekt beherrscht. «Aber es ist ein Riesendruck. Du triffst ständig Entscheidungen, gehst viele Verpflichtungen ein und musst immer zwischen Mitarbeitenden, Kundinnen und Investoren balancieren.» Nach zehn Jahren verkauft er sein Unternehmen erfolgreich für 125 Millionen Dollar an einen Grosskonzern. «Das war eine riesengrosse Erleichterung.»

Immer wieder aufstehen

Sein persönliches Fazit: «Erfolg hat weniger mit Genialität zu tun als mit Hartnäckigkeit, Willensstärke und Ausdauer.» Es komme darauf an, wie häufig man nach einem Misserfolg wieder aufstehe. «In meiner Jugend habe ich relativ früh angefangen zu schwimmen und jeden Tag zwei Stunden im Schwimmclub trainiert. Das hat mich geprägt. Wenn man Sport auf einem hohen Level treibt, prägt das das Mindset. Die Erfahrung aus dem Spitzensport habe ich auch im Arbeitsleben angewendet. Ich setze mir ein Ziel und gebe alles, um es zu erreichen.»  

Ein erfolgreiches Unternehmen sei vor allem die Leistung eines engagierten Teams. Es gehe darum, Menschen zu inspirieren und zu motivieren. «Die Werte einer Firma sind ihr Herzschlag, sie bestimmen ihren Erfolg. Mitarbeitende müssen Vertrauen spüren und wissen, dass sie geschützt sind, wenn Risiken eingegangen werden.» Diese Haltung habe zu einer grossen Loyalität im Team geführt. Als beispielsweise Amazon VoiceBase übernehmen wollte und er das Angebot ablehnte, hätte der Onlineversandhändler versucht, seine Mitarbeitenden mit einem doppelten Gehaltsangebot abzuwerben. Keiner sei auf das Angebot eingegangen. Gute Führung bedeute immer ein Geben und Nehmen.

Wir leben in einer aufregenden Zeit

Heute ist Walter Bächtiger beratend für diverse KI-Start-ups tätig und fokussiert sich auf den Aufbau eines neuen Fintech-Unternehmens im Vorsorgebereich. Wie er die Zukunft einschätzt? In den nächsten Jahren werde es grosse gesellschaftliche Umwälzungen geben und viele Arbeiten werden durch KI-Systeme ersetzt. Berufe mit persönlichem Kontakt zu Menschen wie die Pflege werden an Bedeutung gewinnen, während Bürojobs oder wissensbasierte Berufe zunehmend automatisiert werden. «Wir stehen an der Schwelle zu einer aufregenden Ära voller rasanter Veränderungen. Meine Botschaft an die junge Generation: Habt den Mut zu träumen und lasst eure Träume Wirklichkeit werden.»

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