Archiv 01 / 2024

Ganz so einfach ist es nicht

Daniel Last

Der Ruf nach Heizsystemen ohne fossile Brennstoffe wird lauter. Gas- und Ölheizungen dürften in nicht allzu ferner Zukunft ausgedient haben. Insbesondere Erdwärmesonden (EWS) scheinen die galanteste Form der Heizzukunft zu sein. Doch was sich so einfach anhört, stellt in der praktischen Umsetzung gewisse Anforderungen.

Wärmepumpen nutzen zwar Umgebungsquellen wie Aussenluft oder das Erdreich als Energiequellen, sie brauchen aber immer noch einen Anteil elektrischer Energie, um daraus nutzbare Heizenergie zu erzeugen. Der Bund rechnet damit, dass in Zukunft etwa 70 Prozent der Gebäude mit Wärmepumpen beheizt werden. Dies führt zu einem zusätzlichen Bedarf an elektrischer Energie, der vor allem in den kältesten Wintertagen grosse Spitzen aufweist. Die jetzt schon bestehende Winterstromlücke könnte also durch eine grossflächige Ausbreitung von Wärmepumpen zusätzlich verschärft werden. Um diese zusätzlichen Bedarfsspitzen möglichst gering zu halten, ist eine hohe Effizienz – oder eben ein geringer Stromverbrauch – der eingesetzten Wärmepumpen während der kältesten Wintertage von grosser Bedeutung. Weil die Effizienz von Wärmepumpen bei tiefen Quelltemperaturen stark einbricht, weisen Aussenluftwärmepumpen gerade während der wichtigen kalten Wintertage Schwächen auf. Im Gegensatz zur Aussenluft stellt die Erdwärme hingegen eine über das gesamte Jahr fast konstante Quelle für Wärmepumpen dar, welche auch während der kältesten Tage eine hohe Effizienz garantiert. Weil Erdwärmepumpen dadurch bei –10 Grad Celsius nur etwa halb so viel Strom benötigen wie die immer noch am häufigsten eingesetzten Aussenluftwärmepumpen, könnte ein grossflächiger Umstieg auf Erdwärmepumpen die Winterstromlücke stark vermindern.

Die grundsätzliche Funktion von Erdwärmesonden ist recht einfach erklärt: Im Winter erfolgt die Wärmeentnahme aus dem Boden durch das Wärmeträgermedium, in der Regel eine Art Frostschutzmittel, in den Erdsonden. Dieses Medium zirkuliert durch die Rohre und nimmt die im Erdreich gespeicherte Wärmeenergie auf. Anschliessend wird die gewonnene Umgebungswärme mit Hilfe einer Wärmepumpe ‘veredelt’ respektive auf ein nutzbares Temperaturniveau angehoben und der Heizung des Gebäudes zugeführt. Durch den Betrieb entzieht eine Erdwärmesonde dem umgebenden Erdreich Wärme, welche während des Sommers aus dem umgebenden Erdreich nachfliesst. Wenn Erdwärmesonden nahe beieinander liegen, kann dieses Nachfliessen – auch natürliche Regeneration genannt – allerdings nicht mehr ungehindert stattfinden, weil das umgebende Erdreich bereits durch die Nachbarsonden ausgekühlt wurde.

Geocooling hilft bei Regeneration

Florian Ruesch, Projektleiter SPF Institut für Solartechnik der OST, erklärt, was die besonderen Herausforderungen sind, die hierbei zu beachten sind. «In Gebieten, in denen auf wenig Raum viele Sonden im Erdreich vorhanden sind, besteht die Gefahr, dass der Boden nach einiger Zeit ausgekühlt ist. Ihm muss also wieder aktiv Wärme zugeführt werden. Dazu bietet sich zum Beispiel Abwärme aus der Gebäudekühlung an, vor allem auch, weil der Kühlbedarf in Zukunft stark zunehmen wird», so Ruesch. Das Geocooling, bei welchem das Heizungsverteilsystem mittels Wärmetauschern mit den ausgekühlten Sonden verbunden wird, ist bereits weit verbreitet. Damit können an heissen Sommertagen grosse Komfortsteigerungen und Regenerationsgrade von bis zu 25 Prozent erreicht werden. Wenn höhere Regenerationsgrade gefordert sind, kann dies mittels Sonnenkollektoren, Aussenluftwärmetauschern oder je nach Situation auch mit industrieller Abwärme erfolgen. An der OST gibt es dazu z. B. ein Projekt, bei dem ein recyclingfähiger Asphaltkollektor für die Regeneration von Erdwärmesonden vermessen und analysiert wird. In diesem bis 2025 laufenden Projekt geht es unter anderem darum, diese recht kostengünstige Wärmequelle für die Regeneration des Bodens so umzusetzen, dass die Recyclingfähigkeit des Asphalts gewährleistet bleibt.

Doch zurück zur Kühlung der Gebäude: In einer Studie des Bundesamts für Energie BFE, bei der auch die OST durch Florian Ruesch, Lukas Füglister und Michael Haller eine bedeutende Rolle eingenommen hat, wurde aufgezeigt, dass mittels aktiver Kühlung auch deutlich höhere Regenerationsgrade als 25 Prozent erreicht werden können. Dazu muss der Kühlbedarf extra – beispielsweise durch das Öffnen von Sonnenschutzstoren – erhöht werden, wodurch auch deutlich mehr Abwärme für die Regeneration von Erdwärmesonden entsteht. Um dennoch, auch an heissen Sommertagen in den Gebäuden nicht zu schwitzen, muss die Funktion der Wärmepumpe umgekehrt und diese als Kältemaschine eingesetzt werden. «Vor allem bei modernen Gebäuden mit grossen Glasfronten könnte damit eine vollständige Regeneration der EWS erreicht und das Problem der Langzeitauskühlung behoben werden», erklärt Ruesch. Und ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand, wie er ausführt: «Weil die Kühlung fast ausschliesslich an sonnigen Sommertagen erfolgt, könnte die Kältemaschine grösstenteils mit eigenem PV-Strom betrieben werden.»

Erhöhung des Kühlbedarfs umstritten

Ein weiterer Vorteil dieser Kombination ist, dass die Abwärme ins Erdreich abgeführt und nicht wie bei herkömmlichen Klimaanlagen in die Luft abgegeben wird. Der Teufelskreis des Wärmeinseleffektes, bei dem die Abwärme von Klimaanlagen die Luft in städtischen Ballungszentren erwärmt und den Bedarf an Gebäudekühlung zusätzlich erhöht, kann dadurch unterbrochen werden.

Trotz der vielen Vorteile ist es dennoch umstritten, den Kühlbedarf zu Regenerationszwecken künstlich zu erhöhen: «In einigen Normen und Regeln wird explizit ein passiver Wärmeschutz verlangt und wir wissen nicht, ob der Verzicht auf passive Wärmeschutzmassnahmen von einem Grossteil der Bewohner akzeptiert würde», erklärt Ruesch.

Grundsätzlich ist die Umsetzung von vielen Erdwärmesonden auch in dicht bebauten Gebieten ohne grosse Probleme möglich, wie er unterstreicht: «Wichtig bei dieser ganzen Thematik ist eine sorgfältige Planung, bei der auch die nachbarschaftliche Beeinflussung berücksichtigt wird. Dann können Folgeprobleme bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden.»

Fernwärme kann Situation entschärfen

Wobei abschliessend betont werden muss, dass die aktive Regeneration des Erdreichs nicht für alle Wohngebiete von gleicher Bedeutung ist. Unumgänglich ist sie laut Ruesch für mittelstark bebaute Gebiete, in locker besiedelten Gebieten reicht die natürliche Regeneration aus. Und in urbanen Räumen wie Zürich stellt die effizienteste und kostengünstigste Art der Wärmeversorgung die Fernwärme dar. «Die Nutzung von Fernwärme würde die Situation in Bezug auf eine grosse Sondendichte und eine drohende nachhaltige Auskühlung des Erdreichs massiv entschärfen», so Ruesch. Für die weitere Verbreitung von effizienten EWS-Wärmepumpen ist es daher wichtig, klare, aber gebietsbezogene Regeln zum Regenerationsbedarf von EWS zu haben. Als erster Kanton in der Schweiz ist Baselland momentan dabei, solche Regeln zu erstellen – dies mit der Unterstützung der OST.

Insgesamt verdeutlicht die Thematik, dass in Gebieten mit einer hohen Dichte an Erdwärmesonden eine aktive Regeneration notwendig ist, um eine grosse Verbreitung dieser Art von Wärmegewinnung zu ermöglichen. Dies gewinnt vor dem Hintergrund des prognostizierten Anstiegs des Kühlbedarfs in den Sommermonaten zunehmend an Bedeutung. Die OST trägt dabei weiterhin massgeblich zur Entwicklung nachhaltiger und kostengünstiger Umsetzungsmöglichkeiten bei und engagiert sich beim Erarbeiten von allgemeingültigen Regeln

Kontakt zum Verantwortlichen:

Florian Ruesch
SPF Institut für Solartechnik
+41 58 257 48 31
florian.ruesch@ost.ch

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