Archiv 01 / 2024

Schwammstädte: Was Städte von der Natur lernen können

Willi Meissner

Tobias Baur, Experte für Schwammstädte, plädiert dafür, dass unsere Städte durch die sogenannten Nature-based Solutions den Herausforderungen des Klimawandels begegnen. Im Interview spricht er über die Integration von Wasser und Pflanzenflächen, multifunktionale Stadträume und die ökologischen Vorteile einer Schwammstadt.

Sie sagen, Städte müssten wieder mehr funktionieren wie die Natur. Was kann die Stadt von der Natur lernen?
Tobias Baur: Die natürlichen Prozesse sind unheimlich wichtig für die Gestaltung unserer Städte. Natürliche Systeme reinigen das Oberflächenwasser und die Luft, kühlen die Umgebung und tragen am Ende auch zu einem besseren Wohlbefinden bei der Bevölkerung bei. In Städten fehlen oft diese natürliche Systeme, die beim Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels helfen könnten. Die Kühlung sollte über Pflanzen, Luftreinigung und Versickerung erfolgen, um Ökosystemdienstleistungen wiederherzustellen.

Wie baut man eine Stadt so um?
Baur: Ein Ansatz einer Freiraumgestaltung ist die sogenannte Schwammstadt. Hier werden möglichst viele Grünflächen in die Stadt integriert. Diese haben die Funktion den natürlichen Wasserhaushalt in der Stadt wiederherzstellen, sie nehmen Wasser auf, lassen es versickern und verdunsten es, speichern es im Untergrund, reinigen es und nutzen es für Pflanzen, sodass es zu einem möglichst geringen Abfluss kommt. Gleichzeitig bieten sie Kühlung, Luftreinigung und Schatten und erhöhen somit die Aufenthaltsqualität für die Gesellschaft.

Die Natur geht fundamental anders mit Wasser um als unsere Städte. Um die Folgen des Klimawandels abzumildern, müssen unsere Städte wieder mehr wie die Natur funktionieren.

Und wer gibt den Raum dafür her?
Baur: Wir müssen diskutieren, welche Nutzungsansprüche wir haben, und wie wir Blau-grüne Infrastrukturen multifunktional in die Stadt integrieren. Es kann ein Park oder Sportplatz mit Rückhaltefunktionen für Wasser bei Starkregen sein.

Macht das nicht alles teurer?
Baur: Es kann in bestimmten Projekten zu einem höheren Preis kommen, aber dieser steht auch einem höheren Nutzen gegenüber. Gesundheitliche und ökologische Werte sind etwas wert. Die Stadt Kopenhagen etwa hat in einer Studie ausgerechnet, dass es langfristig teurer ist, nichts zu tun, da Starkregen in einer konservativ gebauten Stadt erhebliche Schäden verursacht. Gleichzeitig steigen die Gesundheitskosten durch die hohe Hitzebelastung in zubetonierten Städten. Wir sehen dieses Konzept als eine Lösung langfristig gesunde und lebenswerte Städte zu gestalten.

Wenn ich Wasser mitdenke, wird eine Stadt dann automatisch besser bei der Bewältigung von Hitzewellen?
Baur: Ja, Blau-grüne Infrastruktur kühlt durch die Verdunstung und benötigt Wasser. Ein naturnaher Wasserkreislauf mit Rückhalten, Versickern, Stauen und Ableiten, verbunden mit grüner Infrastruktur, reduziert automatisch die Hitze in der Stadt.

An der OST arbeiten sowohl das ILF Institut für Landschaft und Freiraum als auch das UMTEC Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik an Schwammstädten. Wie arbeitet ihr zusammen?
Baur: Mein Kollege Peter Bach am UMTEC und ich kooperieren in einigen interdisziplinären Projekten, wie z.B. bei einer Blau-grünen Neugestaltung eines Strassenraums in Luzern. Strassen sind generell ein gutes Beispiel. Die werden regelmässig saniert und jede einzelne dieser Sanierungen bietet eine Chance, eine Betonstadt ein Stück weit in eine Schwammstadt umzubauen. Des Weiteren beschäftigen wir uns gemeinsam mit der Frage wie sich Elemente der Blau-grünen Infrastruktur weiter entwickeln lassen

Zur Person

Tobias Baur
Professor Tobias Baur ist seit 2021 Professor für Landschaftsgestaltung an der OST. Seit über 20 Jahren befasst er sich mit dem Thema Siedlungsentwässerung.

Institut für Landschaft und Freiraum

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